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Ein kleines Segelboot steht vor einem Weihnachtsbaum.

Winterzeit heißt Selbsthilfezeit

Ein kleines graues Segelboot steht auf meinem Schreibtisch im Homeoffice, ein Deko-Artikel. Wenn ich es im Sommer anschauen meine ich eine frische Brise zu spüren und ein paar Tropfen Gischt auf der warmen Haut. Jetzt im Winter denke ich manchmal: „Bring mich gut durch diese Zeit!“ Wenn es draußen lange dunkel ist und nicht richtig hell wird. Wenn mir der Weihnachtstrubel mit Glitzer und den vielen Erwartungen falsch erscheint. Wenn die Jahresabschlusshektik mich vergessen lässt rauszugehen, frische Luft zu schnappen und inne zu halten.

Gut durch die Zeit kommen...

Bring mich gut durch diese Zeit! Diese Bitte, dieser Wunsch lässt mich stutzen. Wer oder was soll mich durch diese Zeit bringen? Was braucht mein Segelboot, um durch unruhige See oder große Flaute zu kommen? Es braucht eine*n Navigator*in und einen Kompass. Langsam dämmert mir: Ja, ich bin die Navigatorin. Aber was ist mein innerer Kompass? Was hilft mir, wenn die Wellen hochschlagen? Was hilft mir, wenn die Angst da ist unterzugehen? Was hilft, wenn ich mich alleine fühle und ohne Kontakt? Was hilft, wenn der Weihnachtstrubel und die Rituale mich bedrängen und nicht erfreuen?

Wir wünschen Ihnen, dass Sie immer wieder Momente erleben, in denen Sie inneren Halt finden und sich mit sich und vielleicht anderen wohlfühlen. Das kann individuell sehr unterschiedlich aussehen. Nicht immer fällt es leicht zu benennen, wie wir uns wohlfühlen.

Hier einige Anregungen, die Sie inspirieren möchten.

Sonnenuntergang auf Sylt
©Renate Schächinger, KIBIS Herzogtum-Lauenburg

Mein Wohlfühlzettel

Manchmal, wenn ich am Horizont die untergehende Sonne beobachte, finde ich einen Moment, durchzuatmen. Ich denke ganz bewusst an all die schönen Momente, Dinge, Menschen, die mir Freude bereiten. Die bloßen Gedanken und die verbundenen Erinnerungen oder Erwartungen geben mir halt. Sie helfen mir, mich auf meinem Boot wohlzufühlen und zeigen mir, was es doch für schöne und wertvolle Dinge in meinem Leben gibt. Ich nehme mir einen Zettel, und schreibe alle diese Gedanken auf. Ich merke, dass es mir gefällt, darüber nachzudenken, sie aufzuschreiben, und auch darüber zu sprechen. Vielleicht kann ich ja beim nächsten Gespräch einbringen, welche schönen Momente, Gerüche oder Erinnerungen mir eingefallen sind, und was da wohl bei anderen auf dem Wohlfühlzettel stehen würde?

Ein schneebedeckter See in der Wintersonne.
©Ulrich Krusekopf, KIBIS Schleswig-Flensburg

Mini-Urlaub

Auf dem Segelboot gibt es ganz feste Abläufe. Und auch sonst bestimmt der Alltag unser Leben. Wir haben Rituale und feste Abläufe, stehen morgens auf, waschen uns, frühstücken, und gehen weiter durch den Tag. Nur im Urlaub, da erlauben wir uns, auszubrechen? Ungewaschen im Bett frühstücken? Morgens im Sessel lesen? Nicht den direkten Weg zum Supermarkt, sondern heute mal durch den schönen Park mit dem vereisten See? Das tut gut. Aber wer sagt eigentlich, dass ich das nur im Urlaub kann? Vielleicht breche ich morgen einfach so mal aus! Weil ich es mir verdient habe, in dieser dunklen Jahreszeit, weil ich weiß, dass es mir gut tut! Auf, in den Mini-Urlaub!

Ein Regenbogen über grünen Bäumen.
©Renate Schächinger, KIBIS Herzogtum-Lauenburg

Reise in die Zufriedenheit

Manchmal, wenn die See etwas ruhiger ist, finde ich ein wenig Zeit, um zufrieden zu sein. Ich lege mich an Deck oder unten in mein Bett, strecke alle viere von mir und bin zufrieden. Zufrieden damit, trotz Seegang und Gegenwind dort zu sein, wo ich gerade bin. Zufriedenheit damit, dass ich mich in den sicheren Hafen bringen kann. Zufriedenheit, dass das Boot immer noch Fährt und noch jeder Witterung standgehalten hat. Nach ein paar Minuten stehe ich wieder auf, freue mich über den Regenbogen am Horizont und setze die Segel: Auf zu sicheren Ufern.

Ein schneebedeckter Steg führt auf einen See hinaus.
©Ulrich Krusekopf, KIBIS Schleswig-Flensburg

Vor die Tür gehen – Frische und Luft

Manchmal sind es nur ein paar Schritte bis zum nächsten Grün im Beet des Vorgartens, zum kleinen Park. Manchmal fahren wir weiter raus in den Wald oder ans Meer. Die wichtigsten Begleiter um mit uns selbst in Kontakt zu kommen, sind immer dabei, die Sinne:

Augen, die das scheinbar Gleiche plötzlich anders erfassen. Auf den kahlen Ästen vieler Sträucher zeigen sich zarte Erhebungen, die ersten Ansätze der Knospen für den nächsten Frühling. Sie sind schon jetzt angelegt und verharren je nach Kälte bis sie sich im Frühjahr weiterentwickeln. Unterm Laub zeigen sich zarte, grüne Spitzen. Schneeglöckchen, Perlhyazinthen und andere Frühblüher wachsen aus der Tiefe. Am Strand sind verschiedene Spüren im nassen Sand. Da gibt es Muschelreste Groß und Klein, ein Schere vom Krebs, ein Stück Alge. Im Wald zeigen sich im Winter die verschiedenen Konturen der Bäume, unbelaubt und majestätisch zeigen sie die eigentliche Form. Die unterschiedlichen Strukturen der Stämme werden sichtbar und fühlen wir mit den Händen, spüren wir grobe und feine Flächen, Glattes und Rauhes, Morsches und Robustes.

Blick auf den Kanal bei Büchen.
©Renate Schächinger, KIBIS Herzogtum-Lauenburg

Klopfen wir auf den Stamm hören wir genau ob der Baum unbeschadet ist, oder ob sich Borken- und andere Käfer unter der Rinde ein Zuhause geschaffen haben. Im Vorgarten können wir das Rascheln der Amseln hören auf der Suche nach einem Wurm oder anderer Nahrung. Und bei Sonnenschein lassen Meise, Zaunkönig und Rotkehlchen mit ihrem Zwitschern von sich hören. Etwas kraftvoller trifft das Kreischen der Möwen am Strand unsere Ohren, wenn um fette Beute gestritten wird. Und was gibt es alles zu erschnuppern, wenn wir draußen sind. Angenehmes und weniger Schönes. Die frische See und der Moder des Herbstes, Kälte und Schnee haben einen eigenen Geruch und die Raucher und Autos, die kurz vor uns auf dem Weg waren, hinterlassen andere Geruchseindrücke. Mit Gerüchen werden oft Erinnerungen wach.

Haben sie Orte draußen, in der Natur, zu denen es sie zieht? Orte, die Ihnen besonders guttun ohne, dass es sich erklären lässt? Vielleicht ist es ihr persönlicher Kraftort? Suchen sie diese Orte auf und spüren sie das es Ihnen hier gutgeht.

Eine Skulptur am Rande eines schneebedeckten Sees.
©Ulrich Krusekopf, KIBIS Schleswig-Flensburg

Ein freundlicher Blick für andere und uns selbst – Begegnungen wagen

Wenn die Einsamkeit Raum nimmt, wenn traurige und dunkle Gemütslagen zunehmen, dann ist es mit Kontakten besonders schwer. Und gleichzeitig tut ein freundlicher Kontakt oft gut. Der freundliche Blickkontakt und ein nettes Wort mit der Verkäuferin beim Bäcker oder im Supermarkt, die wir schon seit längerem kennen. Ein kurzer Austausch im Hausflur, ein Anruf oder eine Karte an jemanden richten, die oder den wir vermissen.

Oft glauben wir, dass wir Anderen nicht wichtig sind und vermeiden Kontakte. Vielleicht kommt auch nicht jeder Gruß gleich gut an. Aber während wir uns freundlich jemandem zuwenden, spüren wir vielleicht auch eine Freundlichkeit für uns selbst. Und dort, wo wir vertraut sind, dürfen wir in den Kontakt gehen. Vielleicht erfreuen wir jemanden, der oder die sich auch nicht getraut hat.

Eine kleine Skulptur eines Bootes steht vor einem Holzschild mit dem Aufdruck "Glück Ahoi"

Erich Fromm liefert einen guten Anfang, wenn er sagt: „Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Vorstellung.“ Nehmen Sie sich einen Moment des Innehaltens und stellen Sie sich vor, was Ihnen jetzt wirklich guttäte und sich auch realisieren lässt.

  • Das Fenster öffnen und die frische Luft reinlassen? Die Nase in den Wind halten und schnuppern was er mitbringt? Ein Hauch von Seeluft? Frische Kälte? Den Geruch von Erde und Herbstlaub?
  • Sich recken und strecken – tief einatmen und lange ausatmen?
  • Ein Lied singen oder summen – aus Kindertagen, aus der Weihnachtszeit, ein Lieblingshit?…

Wir haben uns mit Menschen aus der Selbsthilfe darüber ausgetauscht wie sie gut durch die Winter- Weihnachtszeit kommen.

Die wichtigste Erkenntnis: Sie haben sich schon durch manche herausfordernde Situation navigiert. Sicherlich nicht immer alleine, sondern mit guter Begleitung. Ihr eigener Kompass hat Sie schon durch manche schwierige Situation geführt. Um im Bild des Segelbootes zu bleiben: Sie sind seetauglich!

Sein eigenes Ding machen und auf gewisse Konventionen pfeifen? Gelegentlich ausbrechen aus dem was andere erwarten und einen eigenen Wege gehen. Erlauben Sie sich Moment des Innehaltens und werfen Sie einen Blick auf die, oftmals kleinen Dinge, die Sie erfreuen, die für einen Moment oder auch länger Kraft geben.